Donnerstag, 18. November 2021

02.10.2021 - Urban-Marsch durch Hamburg. Oder: Wir hatten auch schon bessere Ideen. ;-)

Wir haben es getan! 
Als wir während der Corona-Einschränkungen 2020/21 (wie so viele andere auch) den Spaziergang für uns entdeckten, habe ich mich (überredet äh..  überzeugt von Kerstin) für den Nord-Marsch angemeldet - gemeinsam mit einigen anderen Mädels starteten wir unter dem Arbeitstitel-Gruppennamen "Wander-Woman". Wenn schon, denn schon und Nomen est Omen. 

Ursprünglich sollte der Marsch durch Hamburg bereits im Mai zu Pfingsten stattfinden, dieser Termin musste dann aber wg. diverser Corona-bedingter Auflagen verschoben werden und fand nun eben etst am 2. Oktober statt. Wir hatten uns für die 25km-Distanz gemeldet, es gab aber auch Strecken über 15 / 42 und 55 km, die zu absolvieren waren. 

Ehrlich gesagt hatte ich insbesondere in den letzten Wochen vor dem Starttermin doch Respekt vor der Streckenlänge, denn seit bei uns in der Firma zwischenzeitlich fast wieder so etwas ähnliches wie Normalität eingetreten ist, saß ich natürlich viel mehr am Schreibtisch und lief nicht mehr den "ganzen Tag" durch die Gegend. Im März/ April oder Mai wäre ich wohl doch deutlich entspannter auf die Strecke gegangen. 
Auch die mittlerweile wieder sehr regelmäßigen 2-3 Eishockey-Trainingseinheiten pro Woche reduzierten mein tägliches/wöchentliches Kilometer-Pensum deutlich. Ich hatte schon fast das Gefühl, unvorbereitet an den Start zu gehen. Aber es nützte ja nix, wir waren angemeldet, hatten bezahlt, kneifen galt nicht und auch mein Vorschlag, dass ich wegen der besseren Erreichbarkeit doch erst am alten Elbtunnel zur Gruppe stossenwollte, fand leider kein Gehör. Aber irgendwas ist ja immer. 😉

Am Samstag, 2. Oktober / 9.45 Uhr war also Treffen in Stellingen, an der Sporthalle, die als Check-In und Startpunkt diente. Die Stimmung war gut, wir machten noch ein Gruppenfoto und marschierten los. 
"Immer der Nase nach" war nicht das Marsch-Motto und es hieß auch nicht "folgen Sie dem Licht". Gut, dann folgten wir eben stattdessen den gut sichtbaren Wegmarkierungen, konnten aber immerhin auf die alte Fahrschul-Weisheit "so lange nicht anderes angezeigt wird, geht es immer geradeaus" vertrauen. 
Von Stellingen aus führte die Route durch Eimsbüttel, vorbei am Tele-Michel kreuz und quer durch Planten und Blomen und die Wallanlagen rüber zum Stinfang, wo es mit schönen Ausblick auf Hafen und Landungsbrücken einen Zwischenstop an der Verpflegungsstation gab.
Da waren wir schon fast zweimal Stunden unterwegs - da wir aber nicht auf der grünen Welle surften und gefühlt jede Ampel rot gewesen war, hatten wir schon einiges an Zeit verloren. Aber nicht einmal die mit uns gestarteten Feuerwehrleute wollten uns Sonderrechte einräumen und die Straßen absperren, sondern warteten auch brav auf grün, taten wir ihnen das selbstverständlich gleich und nahmen die Beeinträchtigungen unseres Kilometerschnitts zähneknirschend in Kauf. 😉
Nach der Rast führten die Markierungen uns zum alten Elbtunnel, wo wir unbewusst in den Aufzug stiegen, der uns unter die Elbe bringen sollte.  Erst nachdem auch der Aufzug in Bewegung gesetzt hatte, fiel unser Blick auf die Treppe - aber da war es bereits zu spät. Natürlich bereuten wir sofort, dass uns am Ende des Tages zahlreiche Schritte fehlen würden - aber ändern konnten wir es nicht mehr und zum Glück wurden wir auch nicht disqualifiziert. 
Auf der anderen Seite der Elbe kehrten wir kurz an der Brücke 10 ein und gönnten uns ein Wegbier, also ein Fußpils, machten schnell noch ein, zwei Fotos und dann ging es schon weiter.  
Über die Hermann-Blohm-Straße, vorbei am Kreuzfahrtterminal Steinwerder gingen und gingen und gingen wir... und wanderten durch Mittelerde ... oder so ähnlich. Dieser Teil der Strecke war optisch jetzt nicht so das Highlight, musste aber dennoch absolviert werden und den ein oder anderen Blick auf Hamburgs Wahrzeichen konnten wir auch von dieser Elbseite werfen. Nachdem wir dann eine Weile auf der Klütjenfelder Straße (da wollten Kerstin und ich ja schon immer mal hin) marschierten, änderte sich die Landschaft endlich wieder und nach der Ernst-August-Schleuse wurde es auch wieder grüner. 
Der Weg führte nun über den Klütjenfelder Hauptdeich und ehrlich gesagt zog sich die Strecke nun wie Kaugummi. Die ersten Blasenpflaster waren bereits vor dem alten Elbtunnel geklebt worden und unsere Kondition wurde auch mit zunehmender Laufdauer nicht besser. Knie, Füße, Hüfte, Schneidezahn... ja, auch ungewöhnliche Körperteile zeigten im wahrsten Sinne des Wortes Ausfallserscheinungen. Doch das Krone richten war heute noch nicht dran. Immerhin motivierte man uns visuell - und auch künstlerisch wurde etwas geboten. 
Wir näherten uns der Veddel, überquerten die Wilhelmsburger Brücke, passierten das berühmte Goldene Haus, 
wanderten weiter die Veddeler Brückenstraße entlang, bis wir dann irgendwann über die neue Elbbrücke kamen und die Elbseite wieder wechseln konnten.  
Auch hier warte mal wieder ein Schild, das uns anzeigte, dass es nur noch wenige (Kilo)Meter zum Ziel sind und uns wurde schmerzlich bewusst, dass wir erst/schon 60% der Strecke absolviert hatten und damit noch 40% auf uns warten würden. Gut? Schlecht? Keine Ahnung... bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts mehr zu berechnen... 
Und so setzten wir auch weiterhin einen Fuß vor den anderen. Der Weg führte nun zur Hafencity, vorbei an der neuen, spacigen Bahnstation Elbbrücken durch die Baakenallee (ich dachte echt, eine Allee wäre eine Straße mit vielen Bäumen?) hin zur Überseeallee (auch hier keine bis wenig Bäume!) über den Dallmannkai zur Elbphilharmonie.
Nach einem kurzen Blasenpflaster-Stop (an dieser Stelle ein unbezahltes Hoch auf die Firma Compeed! Warum sponseren die diese Veranstaltung eigentlich nicht???) ging es dann über die Elbpromenade zu den Landungsbrücken und mittlerweile sprachen wir nicht mehr darüber, was und weh tut, sondern überlegten, welches Wehwehchen schlimmer und ausgeprägter war. Knie? Fuß? Hüfte? Ach, pauschal traf "Körper" es doch ganz gut.  
An den Landungsbrücken erlag die erste Wander-Woman dem Lockruf des HVV,  sie beendete den Marsch und hoffte auf eine heiße Dusche zu Hause. Der Rest der Gruppe biss weiter auf die Zähne. Für uns ging es bergauf - im wahrsten Sinne des Wortes,  den wir mussten den Kuhberg hinauf um dann durch den alten Elbpark in Richtung Glacischaussee zu kommen. 
Wir kamen einigermaßen gut voran und wurden optimistisch, fast ein wenig euphorisch. Ja, wir konnten das Ziel schon fast sehen und Feierabend-Bier und Bratwurst schon beinahe schmecken...
... so dachten wir jedenfalls. Denn dann kam dieses Schild:
Und das holte uns wieder auf den knallharten Boden der Tatsachen zurück. Verdammt, der gesamte Optimismus war mit einem Wimpernschlag verflogen - genau wie der Bier(vor)geschmack, der schon so schön im Bauchna... ähm... Gaumen geprickelt 'atte. 

Der Streckenverlauf führte jetzt durch die gut bevölkerte Schanze, in der offensichtlich ganz Hamburg in irgendwelchen sonnigen Straßencafès chillte, zur Max-Brauer-Allee zur Eimsbütteler Chaussee über die Kieler Straße, durch die Osterstraße (wo schon wieder eine Menge unsportlicher Menschen in Cafés und Restaurants hockte und Erfrischungsgetränke und Süßspeisen konsumierte) letztlich wieder zurück nach Stellingen zum Start und Zielpunkt. Die letzten Kilometer waren dann auch wirklich (also so ganz echt echt jetzt) kein Spaß mehr, die Lust am Reden war (nicht nur) mir schon lange vergangen. Mein Ziel war "ankommen, mich hinsetzen und nie wieder (also wirklich nie nie!) aufstehen". Ich fühlte mich irgendwie an diese Fahrradtouren erinnert, bei denen man einen langgezogenen Hügel hinauf fährt und man dabei nur noch schweigend und verbissen auf sein Vorderrad starrend im die Pedale tritt um irgendwann entweder oben anzukommen oder unterwegs umkippen muss, weil man nicht mehr vorwärts kommt. (Letzters kenne ich allerdings wirklich nur vom Hörensagen!) Einen Fuß vor den anderen und nochmal und nochmal und nochmal ... und irgendwann fiel mir dann auf, dass ich ganz allein unterwegs war.  Claus war außer Sichtweite und ich hatte den Rest der Wander-Woman hinter mir gelassen. Doch so ganz allein wollte ich ja nun auch nicht ins Ziel kommen. Also hockte ich mich irgendwo auf einen Fahrradständer und wartete. Nach einer Zeit kam Julia dann - auch sie wollte nur noch ins Ziel und hatte nicht auf den Rest warten können. Aber immerhin kamen so wir zu zweit ins Ziel... 
Und dort wartete neben Claus eben auch die Ziel-Bratwurst und das ebenso ersehnte wie auch verdiente Bier auf uns. Der Rest der Wander-Woman kam auch im Ziel an und ehrlich gesagt, waren wir alle nur platt,  kalt,  erledigt aber auch ein klitzekleines bißchen stolz auf uns. Und wir haben es sogar noch geschafft, für ein gemeinsames Zielfoto zu posieren. 

Und obwohl ich mir spätestens nach dem 10. Kilometer ganz sicher war, nie wieder an einem solchen Marsch teilnehmen zu wollen, wurden schon am Sonntag in der WhatsApp-Gruppe zum Event die Termine für das nächste Jahr geteilt und diskutiert. 🙈
Also hatte James Bond doch nicht Unrecht, als er sagte "Sag niemals nie!" Schauen wir mal, vielleicht marschieren wir ja 2021 doch wieder los und entdecken neue, unbekannte Ecken und Blickwinkel von Hamburg. Ich lasse mich da jetzt einfach mal überraschen. 


So sah übrigens die absolvierte Strecke auf der Karte aus: